Andere haben vier Kinder statt zwei und noch dazu einen Hund. Andere haben einen Garten und einen Zweitwohnsitz – je nach Geldbörsendicke am Dümpeltümpel oder in Florida. Andere schreiben neben ihrem Vollzeitjob Sachbücher in Bibeldimension, engagieren sich für Flüchtlinge und pflegen die bettlägerige Oma von nebenan. Andere kochen die gesamte Obst- und Gemüseernte für den Winter in Weckgläser ein, versehen sie mit DaWandaesken DIY-Etiketten und stellen sie einem mit gönnerhaftem Lächeln auf dien Büroschreibtisch. Andere machen mit ihren Kindern gemeinsam Hausaufgaben statt sie abends nur zu fragen, ob sie alles fertig haben – hoffend, dass die Antwort ‚ja‘ ist. Denn für alles andere bleibt ja keine Zeit! Längst sollten die lieben Kleinen im Bett liegen und schlafen. Stattdessen läuft die siebte Folge irgendeiner Schwachsinns-Kinder-Comedy auf dem iPad, weil ich noch dabei bin, die Reste des Abendessens aus den Töpfen zu kratzen. Immerhin war es ein selbst gekochtes! Ist ja auch schon was. Danach falle ich allerdings komatös auf die Couch, während andere in der zeitlichen Dimension zwischen Nacht und Tag, zu der mir der Zugang verwehrt bleibt, Designermode für sich und ihre Kinder herstellen.
Wie machen diese Anderen das? Wann machen sie ihre Ablage? Wann bringen sie Räder zur Reparatur, kaufen gesunde Biolebensmittel und neue Turnschuhe für das Kind, das bereits blaue Zehen hat, weil die Schulsport-Galoschen drei Nummern zu klein sind und niemand Zeit hat, ihm neue zu besorgen. Geht doch ganz schnell! Klick Klick Klick im Internetz. Nur leider ist wieder keiner da, wenn der Paketbote klingelt. Und ein zweites Mal macht er es nicht. Also laufe ich sechs Tage mit schlechtem Gewissen und dem mahnenden Zettel im Gepäck herum, um mich dann am letztmöglichen Abholtag wieder in die Schlange derer einzureihen, die es auch nicht auf die Reihe kriegen, zur Non-Rush-Hour zur Post zu gehen. Dabei wäre es doch so einfach gewesen. Aber das schaffen nur wieder diese Anderen. Mit dem richtigen Timing! Einfach in dem Timeslot zwischen dem Rentner- und dem Berufstätigenansturm zur Post gehen. Und die Biolebensmittel auf dem schnuckeligen Biolebensmittelmarkt auf dem Weg zur Arbeit besorgen. Quasi drive-thru. Auf dem gleichen Weg kann man dann noch den neuen Personalausweis abholen – ach ne, die haben andere Öffnungszeiten. Na gut, dann auf dem Rückweg. Ach, da haben sie schon zu?
Ich würde diese Anderen gerne mal kennenlernen und ihr Geheimnis erfahren. Mich beschleicht nur manchmal das Gefühl, dass es diese Anderen überhaupt nicht gibt. So wie Elfen, Einhörner und Untote. Sie sind die Erfindung einer fremden Macht. Um uns klein zu halten. Menschen mit dauerhaft schlechtem Gewissen sind wenig wahrscheinlich darauf aus, die Weltherrschaft an sich zu reißen. Und kurz bevor wir zu sehr gefrustet sind und drohen, die Welt um uns in kleine Stückchen zu schlagen, schickt die fremde Macht uns eine Grüne Welle oder einen freien Schalter im Kundenzentrum der Deutschen Bahn, sodass wir rufen „Perfektes Timing!“ und auf Jahre dankbar sind.